Vor gar nicht langer Zeit ging eine Hiobsbotschaft durch die Medien: Das neue Feature der iPhone-Flagschiffe, drahtloses Laden, soll gar nicht so gut für den Akku sein. Mittlerweile sind die betroffenen Geräte etwas älter geworden und wir können dieses Problem etwas genauer untersuchen.
Ich habe es vor kurzem schon getwittert: Mein iPhone X ist nach Herstellungsdatum nun etwa 250 Tage alt und unterlag in dieser Zeit knapp 115 Ladezyklen. Die Kapazität des Akkus beträgt der Mac-App “Coconut-Battery” zufolge noch 98,6%. Ich lade das iPhone meistens induktiv – aber erst einmal der Reihe nach:
Drahtloses Laden schadet dem Akku
Der Artikel der Computer-Bild aus dem März 2018, welcher sich auf die Feststellung des Technikexperten Adrian Kingsley-Huges von ZDNet stützt, schlug vielen Besitzern eines iPhone X oder 8 (Plus) auf den Magen. Das neue Killer-Feature soll nun gar nicht mehr so gut sein? Durch das drahtlose Laden soll sich die Kapazität des Akkus schneller verringern, als wenn dieser mit herkömmlichem Kabel geladen wird.
Wie lange hält ein Akku?
Eine Akku-Lebensdauer wird von Kingley-Huges in dem ZDNet-Artikel mit etwa 500 Ladezyklen angegeben. Danach ist dieser allerdings noch nicht platt: Immerhin soll der Akku dann noch eine Kapazität von 80% haben. Es wird also hier gar nicht von der kabellosen Ladung als solcher, sondern von einem häufigen Aufladen gesprochen.
Die Anzahl der Ladezyklen ist entscheidend
Die Lebensdauer eines Akkus bemisst sich an der Anzahl der Be- und Entladungen. Apple beschreibt den Ladezyklus wie folgt: Dieser ist noch nicht abgeschlossen, wenn das Gerät einfach kurz auf die Ladestation gelegt wird. Ladezyklen per Definition betreffen einen Von-Bis-Wert, unabhängig davon, ob das Gerät in der Zeit kurz nachgeladen wurde. Auf dieser Information-Seite wird beschrieben, wie ein abgeschlossener Ladezyklus erreicht wird:
Der Ladezyklus ist also erst abgeschlossen, wenn insgesamt 100% der Batteriekapazität verbraucht (entladen) wurden. Dabei müssen diese 100% nicht einmal vom selben Ladevorgang stammen.
Ein Beispiel:
Das Smartphone ist am Anfang eines Tages zu 100% aufgeladen und wird nach Benutzung über den Tag am Abend mit 25% Restladung über Nacht auf die Ladestation gelegt. Es wird also um rd. 75% betankt. Am Nächsten Tag werden 25% dieser Ladung verbraucht. In Summe ergeben diese Verbräuche nun 100% und definieren damit einen Ladezyklus. Dieser kann sich somit über mehrere Tage erstrecken, was die Anzahl meiner Ladezyklen von 115 bei einem Alter von 250 Tagen erklärt. Ein Ladezyklus ist also erst abgeschlossen, wenn in Summe 100% der Akku-Kapazität verbraucht wurden, egal über welchen Zeitraum und egal, wie viele Zwischenladungen erfolgen. Da Li-Ionen-Akkus keinen klassischen Memory-Effekt mehr haben, macht diese Art der Ladezyklen-Messung auch durchaus Sinn.
Mit Qi lädt der Benutzer sein Smartphone öfter auf
Diese Aussage kann so nicht stimmen, es sei denn durch das kabellose Laden gelänge minderwertigere Energie in den Akku, die sich schneller verbrauchen würde. Gemeint ist damit wahrscheinlich nur, dass der Benutzer sein Gerät aufgrund des Komforts öfter mal auf das Lade-Pad (oder den -Ständer) legt; sei es beim Arbeiten am Schreibtisch oder noch schnell vor einem Termin. – Aber mal ehrlich: Wenn euch der Akku-Stand suggeriert, dass ihr den Tag / Termin damit nicht mehr überstehen würdet, würdet ihr es nicht auch aufladen? Dabei ist es dann auch egal, ob per Qi oder per Kabel geladen wird, wobei hier, je nach Leistung, nur die Zeit variiert. Die Aussage der Computer-Bild, dass hierdurch ein neuer Ladezyklus gestartet wird, ist per Definition also falsch.
Wenn man Apple glauben schenken kann und ein Ladezyklus wie beschrieben nicht durch Kurzladungen abgeschlossen wird (und dann die 500 Zyklen-Theorie stimmt), sollte dieses Kurz-Zwischen-Laden dem Akku keinen Schaden zufügen.
Davon abgesehen beobachte ich bei meiner Nutzung keine Zunahme der Lade-Häufigkeit. Ich lade mein iPhone genau so wie meine ehemaligen iPhones auf: Wenn es sein muss. Nun aber eben drahtlos.
Aufladen schadet jedem Akku
Diese Aussage ist unumstritten. Es ist so. Wenn ihr was benutzt, habt ihr einen Abrieb, einen Verbrauch, eine Minderung der Qualität. So ist der Lauf des Lebens. Nichts hält für die Ewigkeit, also wieso sollte es ein Akku tun? Ein USB-Stick oder sonstiger Flash-Speicher ist auch nicht unbegrenzt wiederbeschreibbar. Irgendwann geht alles einmal kaputt. Ein direkter Zusammenhang zwischen kabelloser Ladung und einem schlechteren Akku ist dadurch jedoch noch nicht nachgewiesen worden.
Die Ladestationen hören nicht bei 100% auf
Sofern das iPhone (oder Samsung Galaxy oder jedes andere Smartphone mit induktiver Technik) per Kabel geladen wird, wird der Strom für den weiteren Betrieb des Gerätes direkt hierüber gezogen. Bei Q-Ladung ist das nicht so – heißt es. Hier soll der Betrieb des Smartphones (WLan, E-Mail, Push-Nachrichten etc.) direkt den Akku belasten. Das soll den Akku zusätzlich belasten, da dieser dadurch gleichzeitig be- und entladen werden soll. Außerdem soll die Qi-Ladestation so immer wieder auf 100% aufstocken, wenn der Akku-Stand nach einer Voll-Ladung wieder auf 99% sinkt. Das soll für Unmengen an Ladezyklen sorgen.
Ich bin kein Techniker. Auch habe ich bei der Konstruktion des iPhones nicht mitgewirkt. Ich halte die Ingenieure von Apple und Samsung aber für so fähig, hier entsprechende Technik verbaut zu haben, die so ein Verhalten verhindert. Wenn das Gerät während des Ladevorganges per Kabel den Strom für den Betrieb direkt von diesem ziehen kann, wieso sollte das nicht auch über die Induktions-Spulen gehen? Ob die Energie nun physisch per Kabel oder per Induktions-Spule am entsprechenden Energie-Eingang landet, sollte dem Gerät wirklich egal sein. Daher halte ich diese Aussage (für mich persönlich) für falsch.
Wann sinkt meine Akku-Kapazität auf 80%?
Nach meiner Berechnung verliert mein Akku pro Ladezyklus etwa 0,1% an Kapazität, wenn man die “Endstation” 80% anvisiert und den bisherigen Verlust ins Verhältnis zu den abgeschlossenen Ladezyklen setzt. Das entspräche jedoch knapp 1600 Ladezyklen und nicht nur der 500, wie angegeben. (1,4% = 114 Zyklen, 20% = ?, einfacherer Dreisatz) Gehen wir sicherheitshalber mal von nur 750 Zyklen aus, da der Kapazitätsverlust nicht unbedingt linear ausfallen muss. Also bei derzeitigem Stand hält mein Akku knapp 1644 Tage (114 Zyklen = 250 Tage, 750 Zyklen = ? Tage, ebenfalls per Dreisatz ermittelt), was einer Zeit von etwa 4 Jahren entspricht – ein durchaus guter (rechnerischer) Wert, oder? Und selbst, wenn es nur 500 Zyklen werden sollten – dann hätte der Akku trotz drahtlosem Laden immer noch seine volle angegebene Lebensdauer erreicht.
Lagerung und Zeit begünstigen den Akku-Schwund
Zu dem Ladungs-Qualitätsverlust kommt noch die natürliche “kalendarische Lebensdauer“, nach dieser ein Akku nach einigen Jahren einfach unbrauchbar werden kann. Gründe hierfür sind unter anderem Lagerung und Temperaturunterschiede sowie “parasitäre unumkehrbare chemische Reaktionen” – Sprich: Egal, was ihr macht, das Ding geht irgendwann kaputt. Auch die Wärme beim Laden lässt den Akku schwächer werden, hierbei wird das iPhone beim kabellosen Laden durchaus wärmer, als per Kabel. Das könnte dem Akku durchaus mehr Schaden zufügen, auch wenn dieser nach meiner Berechnung nicht deutlich höher sein wird.
Auch die Effizienz ist drahtlos schlechter
Ja, aber darum geht es hier in diesem Fall nicht. Natürlich ist die drahtlose Ladung mit Verlusten verbunden. Über die Funktion und Wirkungsweise des kabellosen Ladens könnt ihr euch in diesem Artikel informieren.
(persönliches) Fazit
Schadet kabelloses Laden dem Akku? Diese Frage kann durchaus mit “Ja” beantwortet werden, bzw. mit “Ja, mehr als per Kabel”. Denn auch die Ladung per Kabel setzt dem Akku zu. In welchem Umfang der Akku Beim Aufladen Schaden nimmt, ist individuell verschieden und bemisst sich an der Intensität des jeweiligen Nutzens. Ein Benutzer, der sein Smartphone täglich leer arbeitet, hat sicherlich einen höheren Verschleiss als jemand, der das nicht tut. Aber auch der Ort der Nutzung, in Bezug auf starke Temperaturschwankungen lässt den Verschleiss variieren. Ein wirkliches “Ja” oder “Nein” gibt es daher eigentlich gar nicht.
Natürlich variiert auch der von mir ermittelte Wert stark von den beschriebenen Umständen: Lagerung, Alterung, Temperaturschwankungen, Ladezyklen und normalem Verschleiss. Selbst wenn der Verschleiss per kabelloser Ladung höher ist, als per konventioneller Kabel-Ladung, fällt dieser bei meiner Nutzung anscheinend nur marginal aus. Wenn nach 3 Jahren noch die 80% an Rest-Kapazität erreicht werden sollten und das Gerät dabei fast ausschließlich per Qi geladen wurde, kann ich keinen wirklichen Mehrverschleiss im Vergleich zur kabelgebundenen Ladung erkennen. Und mal ganz ehrlich: Wer sein iPhone dann noch liebt und behalten will, der investiert doch die paar Euro für den Akku-Austausch, oder?
Ich empfehle daher: Benutzt euer Smartphone so, wie ihr es braucht. Ladet es, wann ihr wollt und wie ihr es wollt. Und wenn es dann doch einmal so weit sein sollte, hilft entweder die normale Apple-Garantie, ein Apple-Care oder eben ein paar Euros, um einen neuen Akku mit 100% Kapazität und neuer Laufzeit zu erhalten. Bis dahin kann – mehr oder weniger – eine lange Zeit vergehen. Also genießt euer iPhone und macht euch nicht zu viele Gedanken.
Via Computer-Bild, ZDNet, Wikipedia | Fotos: Apple, Oliver Bergmann